Freitag, 24. Juni 2011

Träume sind wie Seifenblasen: Dries van Noten und Roland Barthes


Was Brigitte heute scheinbar erfolgreich vermarktet, versuchte Dries Van Noten bereits in den 90er Jahren (leider) erfolglos:
„1996 zeigte ich meine Kollektion nicht an Models, sondern an realen Frauen. Wir hatten wenig Erfolg damit, die Menschen beklagten sich, dass wir ihnen ihre Träume gestohlen hätten.“ (Interview mit Dries Van Noten vom 23. Juni 2011 bei Der Standart.at

Die Kleidung wird hier ihres Mythos‘ beraubt. Wie ist das zu verstehen? Wie kann sich ein Mythos ändern?

Die Definition des Mythosbegriffes folgt in diesem Zusammenhang Roland Barthes‘ Mythen des Alltags. Er war seinerzeit einer der anregendsten Denker der Nachkriegszeit, fand in Deutschland allerdings nur recht wenig Bedeutung. Einerseits stehen viele seiner Werke unter dem Aspekt des Strukturalismus. Andererseits beinhalten sie aber auch Theorien des Marxismus, der Psychoanalyse, der Soziologie und der Dekonstruktion, die er in vielen verschiedenen Bereichen, bzw. kulturellen Objekten wie Text, Film, Mode, Photographie, Liebe etc. in ihrer Anwendung demonstriert.
Roland Barthes ist Mitbegründer der Semiologie/ Semiotik, also der Wissenschaft der Zeichen, welche für ihn ein ideologiekritisches Mittel darstellt. Mit diesem Mittel versucht er den Alltag zu erklären und darzustellen, dass der Mensch geleitet wird von materiellen Gegenständen, die in seinem Leben einen wichtigen Platz einnehmen.
Mythos bedeutet in der griechischen Übersetzung »Wort«, »Rede«, »Erzählung«. Aristoteles verstand unter Mythos die Nachahmung von Handlungen als Zusammensetzung der Geschehnisse. Dies greift Roland Barthes auf und interpretiert die Definition Aristoteles in neuem Kontext. Für Roland Barthes ist Mythos eine Aussage. Dies widerspricht nicht dem Ansatz Aristoteles, ganz im Gegenteil. Für beide ist Mythos eng mit Narrativität verbunden. Es muss etwas erzählt werden. Was sich bei Aristoteles in der Tragödie äußert, findet bei Roland Barthes unmittelbar im Alltag statt. Jeder Gegenstand kann mythische Bedeutung haben. Für ihn ist Mythos jedoch weder ein Objekt, ein Begriff oder eine Idee, sondern ganz klar ein Mitteilungssystem, bzw. eine Botschaft, also eine Weise des Bedeutens. Somit kann prinzipiell alles Mythos werden, denn dieser definiert sich nicht durch das Objekt an sich, sondern durch die Art und Weise wie die Botschaft des Objektes ausgesprochen wird. Insofern hat der Mythos keine inhaltlichen Grenzen, kann sich auf alles, was in der Welt vorkommt, beziehen und ihm mythische Bedeutung anhaften.
Das führt dazu, dass es keine ewigen Mythen gibt, Mythen also veränderlich sind.
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Trotz allem müssen Mythen eine geschichtliche Grundlage haben, denn eine von der Geschichte gewählte Aussage kann nicht aus der Natur der Dinge entstehen. Eine Erzählung beruht doch immer auf der Existenz von Gegenständen, selbst wenn es eine scheinbar phantastische Zusammensetzung verschiedener Dinge ist, so existieren diese Einzelteile dennoch in der Welt und sind zumindest vorstellbar. Nun ist es wichtig, diese bereits bestehenden Dinge in einen neuen Kontext zu setzen, sie zusammenzusetzen und in einer neuen Anschauungsweise zu betrachten, zu erzählen und mit Bedeutung zu behaften.  
Grundlage ist für Barthes die von Ferdinand de Sassure entwickelte Theorie der Semiotik (das Bedeutende, das Bedeutete sowie das sich daraus ergebende Zeichen), welche er ausbaute und daraus ein sekundäres semiologisches System entwarf, das im Gegensatz zu Sassures aus 3 und nicht nur aus 2 Teilen besteht. Barthes nennt den Mythos Mode ein „besonderes System, als er auf einer semiologischen Kette aufbaut, die bereits vor ihm existiert; er ist ein sekundäres semiologisches System.“ Das was in der ersten Analyse das Zeichen, die Zusammensetzung aus Bedeutendem und Bedeutetem, war, wird nun selbst zum Bedeutenden und verbindet sich jetzt wiederum mit einem anderen Bedeuteten zu einem neuen Zeichen. 
So kann es passieren, dass durch das Ändern einer der Faktoren der Mode das Mythische abhandenkommt. Und genauso kann es passieren, dass einige Jahre später ein Mythos daraus entsteht, denn wichtig ist eben nur das, was dahinter steht, was es dem Menschen für einen Sinn gibt, und welche Bedeutung der Mode auferlegt wird.
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