Was Brigitte heute scheinbar erfolgreich vermarktet,
versuchte Dries Van Noten bereits in den 90er Jahren (leider) erfolglos:
„1996 zeigte ich meine Kollektion nicht an Models, sondern
an realen Frauen. Wir hatten wenig Erfolg damit, die Menschen beklagten sich,
dass wir ihnen ihre Träume gestohlen hätten.“ (Interview mit Dries Van Noten vom 23. Juni 2011 bei Der Standart.at)
Die Kleidung wird hier ihres Mythos‘ beraubt. Wie ist das zu
verstehen? Wie kann sich ein Mythos ändern?
Die Definition des Mythosbegriffes
folgt in diesem Zusammenhang Roland Barthes‘ Mythen des Alltags. Er war seinerzeit einer der anregendsten Denker
der Nachkriegszeit, fand in Deutschland allerdings nur recht wenig Bedeutung. Einerseits
stehen viele seiner Werke unter dem Aspekt des Strukturalismus. Andererseits beinhalten
sie aber auch Theorien des Marxismus, der Psychoanalyse, der Soziologie und der
Dekonstruktion, die er in vielen verschiedenen Bereichen, bzw. kulturellen
Objekten wie Text, Film, Mode, Photographie, Liebe etc. in ihrer Anwendung
demonstriert.
Roland Barthes ist Mitbegründer der
Semiologie/ Semiotik, also der Wissenschaft der Zeichen, welche für ihn ein
ideologiekritisches Mittel darstellt. Mit diesem Mittel versucht er den Alltag
zu erklären und darzustellen, dass der Mensch geleitet wird von materiellen
Gegenständen, die in seinem Leben einen wichtigen Platz einnehmen.
Mythos bedeutet in
der griechischen Übersetzung »Wort«, »Rede«, »Erzählung«. Aristoteles
verstand unter Mythos die Nachahmung von Handlungen als Zusammensetzung der
Geschehnisse. Dies greift Roland Barthes auf und interpretiert die Definition
Aristoteles in neuem Kontext. Für Roland Barthes ist Mythos eine Aussage. Dies
widerspricht nicht dem Ansatz Aristoteles, ganz im Gegenteil. Für beide ist
Mythos eng mit Narrativität verbunden. Es muss etwas erzählt werden. Was sich
bei Aristoteles in der Tragödie äußert, findet bei Roland Barthes unmittelbar
im Alltag statt. Jeder Gegenstand kann mythische Bedeutung haben. Für ihn ist Mythos jedoch weder ein Objekt,
ein Begriff oder eine Idee, sondern ganz klar ein Mitteilungssystem, bzw. eine
Botschaft, also eine Weise des Bedeutens. Somit kann prinzipiell alles Mythos
werden, denn dieser definiert sich nicht durch das Objekt an sich, sondern
durch die Art und Weise wie die Botschaft des Objektes ausgesprochen wird. Insofern
hat der Mythos keine inhaltlichen Grenzen, kann sich auf alles, was in der Welt
vorkommt, beziehen und ihm mythische Bedeutung anhaften.
Das führt dazu, dass
es keine ewigen Mythen gibt, Mythen also veränderlich sind.
mehr Informationen nach dem KLICK
Trotz allem müssen Mythen eine geschichtliche Grundlage
haben, denn eine von der Geschichte gewählte Aussage kann nicht aus der Natur
der Dinge entstehen. Eine Erzählung beruht doch immer auf der Existenz von
Gegenständen, selbst wenn es eine scheinbar phantastische Zusammensetzung
verschiedener Dinge ist, so existieren diese Einzelteile dennoch in der Welt
und sind zumindest vorstellbar. Nun ist es wichtig, diese bereits bestehenden
Dinge in einen neuen Kontext zu setzen, sie zusammenzusetzen und in einer
neuen Anschauungsweise zu betrachten, zu erzählen und mit Bedeutung zu behaften.
Grundlage ist für Barthes die von Ferdinand de Sassure
entwickelte Theorie der Semiotik (das Bedeutende, das Bedeutete sowie das sich
daraus ergebende Zeichen), welche er ausbaute und daraus ein sekundäres
semiologisches System entwarf, das im Gegensatz zu Sassures aus 3 und nicht nur
aus 2 Teilen besteht. Barthes nennt den Mythos Mode ein „besonderes System, als
er auf einer semiologischen Kette aufbaut, die bereits vor ihm existiert; er
ist ein sekundäres semiologisches System.“ Das was in der ersten Analyse das
Zeichen, die Zusammensetzung aus Bedeutendem und Bedeutetem, war, wird nun
selbst zum Bedeutenden und verbindet sich jetzt wiederum mit einem anderen
Bedeuteten zu einem neuen Zeichen.
So kann es passieren, dass durch das Ändern einer der
Faktoren der Mode das Mythische abhandenkommt. Und genauso kann es passieren,
dass einige Jahre später ein Mythos daraus entsteht, denn wichtig ist eben nur
das, was dahinter steht, was es dem Menschen für einen Sinn gibt, und welche
Bedeutung der Mode auferlegt wird.
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